Auf den Spuren biblischer Stätten und Ortschaften I

(Libanon, Syrien und Jordanien)

29. September bis 13. Oktober 2009

Im vergangenen Jahr stand wieder eine Reise in den Nahen Osten an. In Begleitung mit Grossarchimandrit V. Felix Dillier kam ich erneut in den Genuss, mit ihm diese Reise anzutreten.

Viele Menschen sind heutzutage als Touristen in Gruppen oder auch einzeln im Nahen Osten unterwegs. Wir aber wollten auf dieser Reise, die mit viel Sorgfalt von V. Felix vorbereitet wurde, in erster Linie als Pilger unterwegs sein und denkwürdige Stätten der Bibel und der alten Christenheit aufsuchen. Das dichte Programm auf dieser Fahrt liess trotzdem noch genügend Zeit um mit unseren Mitchristen im Orient, mit Klöstern und Bischöfen in Kontakt zu kommen.

Unsere Reise nahm ihren Anfang am 29. September ab Genf mit der MEA (Middle East Airlines). Mit einer Stunde Verspätung kamen wir kurz vor 18 Uhr Ortszeit in Beyrouth an. Dort wurden wir von P. Elias Aghia (Père général der Paulisten) schon erwartet und herzlich willkommen geheissen. Auf dem Weg nach Harissa zum Kloster der Paulisten machten wir in der Hauptstadt noch einen Zwischenhalt beim Erzbischof von Beyrouth Msgr. Joseph Kallas, der uns ebenso herzlich empfing. Bei einem arabischen Kaffee sprach er mit uns über seine Vorhaben und seine grossen und kleinen Sorgen. Bei Dunkelheit erreichten wir schliesslich nach einer halbstündigen Autofahrt bergauf unser Ziel in Harissa.

30. September – Nach dem Morgengebet (Orthros), Messe und anschliessendem Frühstück führte uns der Weg zum berühmten und grössten Marien-Wallfahrtsort im Libanon, nach Maghdouche. Dort erwartete uns der em. Bischof Georges Kwaiter, der den Bau der mächtigen Wallfahrtskirche vor ein paar Jahren in Auftrag gab. Da die finanziellen Mittel nur zäh fliessen, konnte der Innenausbau bis heute noch nicht fertig gestellt werden.

Weiter ging es nach Joun zum Kloster St. Sauveur zu den Salvatorianerinnen, wo wir bereits zum Mittagessen erwartet wurden. Die Schwestern sind sehr herzlich und freuen sich auf jeden Besuch. Besonders eindrücklich ist ihre Paramentenabteilung, wo richtige Kunstwerke entstehen.

Anschliessend fuhren wir weiter durch den «Chouf», typisch libanesiches Gebirge. Vorbei an eindrücklichen Pinienwäldern, die sich abwechselten mit terrassenförmigen Obstgärten und Olivenhainen und vorbei an Ain Traz, der Sommerresidenz von Patriarch Gregorios III. ging es zurück nach Harissa.

Am 1. Oktober besuchten wir die Trappisten des Klosters St. Sauveur. Mit den 11 Mönchen nahmen wir stillschweigend das Mittagessen ein. Beim Kaffee erklärte uns P. Louis die Wichtigkeit der Präsenz der Christen im Land. Dabei wurde klar, es fehlt oft an den nötigen Finanzen um pastoral wirksam arbeiten zu können. Am Nachmittag war Ruhe angesagt.

2. Oktober -Abfahrt schon am frühen Morgen, es stand ein weiter Weg vor uns mit dem Ziel «Les Cèdres». Zuerst auf der Autobahn an der Küste entlang Richtung Tripoli im Norden, bogen wir ab in ein Seitental, das den Namen «Tal der Heiligen» trägt. Wie der Name vermuten lässt, leben in dieser Gegend vorwiegend maronitische Christen. Im Dorf Amyun bewunderten wir die in Fels gehauenen Eremitenzellen. In Qusba mussten wir unbedingt einen Fotohalt machen, vor uns bot sich ein unvergesslicher Anblick eines orth. Klosters, das sich wie ein Schwalbennest an den Fels schmiegte.

Je weiter wir ins «Wadi qadisha» vordrangen, kam uns die Fahrt vor, als würden wir in eine andere Welt kommen. Die tiefe Schlucht ist umrahmt von Terrassenfeldern mit Obstkulturen, zwischen denen Kirchen, Klöster und kleine Dörfer eingestreut sind. Im Hintergrund thronen die schneebedeckten Dreitausender wie eine Kulisse. Es ist nicht verwunderlich, dass dieses Tal 1998 zum UNESCO Welterbe erklärt wurde.

Ein Besuch des «Antoniuskloster», das berühmteste des Tales, durfte nicht ausbleiben. Der Legende nach soll dieses von Kaiser Theodosius I. (379-395) gegründet worden sein. Es beherbergt die Grabmäler maronitischer Patriarchen. Stetig bergaufwärts gelangten wir endlich an unser Ziel «Les Cèdres» (1950 m.ü.M.). Eigentlich erwartete ich einen Zedernwald, der glich aber eher einem Zederngarten.

Doch voller Staunen standen wir vor diesen Riesen, die nicht selten einen Umfang von 11 m aufweisen. Wie uns gesagt wurde, sollen einige dieser gigantischen Bäume 1000 Jahre alt sein. Jedenfalls ist erfreulich, dass diese altehrwürdige Baumart durch ein Aufforstungsprogramm gefördert wird. Auf der Passhöhe hatte man einen wunderschönen Ausblick auf den höchsten Gipfel des Libanon, den schneebedeckten «Qurnat al sawdo» (3083 m.ü.M.).

3. Oktober – Und wieder ein Seitental zwischen Jounieh und Biblos liegend, das Tal «Nahr Ibrahim». Der Schlucht folgend führt eine Strasse landeinwärts. In Machnaqa angekommen, bewunderten wir die Überreste eines phönizischen Tempels.

Auf dem weiteren Weg landeinwärts besuchten wir das Grab und die Zelle des wohl berühmtesten Heiligen des Libanon, des Hl. Charbel.

Am Winterskiort Laqlouq vorbei fuhren wir in Richtung Aqura, wo wir die Mönche des «Couvent de la Nativité» besuchten. In Duma, einem christlichen Dorf, fanden wir eine «christliche» Besonderheit: Die Gotteshäuser der Katholiken und der Orthodoxen standen direkt nebeneinander wie «ökumenische» Zwillinge! Auf dem Heimweg lag das griechisch orthodoxe Frauenkloster des Hl. Silouan; dort bewunderten wir die schöne Ikonostase.

4. Oktober – Unser Programm begann um 10.00 Uhr mit der göttlichen Liturgie in der Basilika der Paulisten.

Am Abend stand ein Besuch des armenisch katholischen Patriarchats auf dem Programm. Die Besichtigung der Kirche und das interessante Museum über die Geschichte des armenischen Volkes, sowie die eigene Weinkellerei.

5. Oktober – Reisetag nach Syrien. Mit dem Auto von P. Elias fuhren wir bis in die Bekaa-Ebene in die Ortschaft Chtoura, wo wir das Auto im Hof bei Schwestern abstellten. Von dort gings weiter per Taxi nach Damaskus direkt ins Patriarchat.

Den Nachmittag verbrachten wir in Tal Kaukab, südlich von Damaskus. Es wurde uns empfohlen, unbedingt die fast neue Kirche des griechisch orthodoxen Patriarchats, die dem Apostel Paulus geweiht ist, zu besichtigen. Natürlich blieben wir nicht unbemerkt – die orientalische Gastfreundschaft war sprichwörtlich, sofort wurden wir zu Tee eingeladen. Bei Dunkelheit gings zurück ins Patriarchat.

6. Oktober – Am Vormittag fuhren wir nach Jaramada, ein Vorort von Damaskus. Dort wurden wir von uns nicht unbekannten Gesichtern der Paulisten empfangen. Einer von ihnen begleitete uns durch diesen Stadtteil, der sichtlich viele christliche Flüchtlinge aus dem Irak beherbergt. Daher ist’s nicht verwunderlich, dass in der Abrahams-Kirche 3 Riten vertreten sind (neben Melkiten auch Chaldäer und Syriaken). Bei dieser Gelegenheit lernten wir Pater Christoforos kennen, bei dem sich bald herausstellte, dass er ein begnadeter Sänger und Musiker ist.

Noch vor dem Mittagessen wurde uns die Schule (des Patriarchats) gezeigt. Hier sind alle Klassen vertreten; die christlichen Schulen geniessen einen sehr guten Ruf in Syrien, auch bei Muslimen.

Am Nachmittag, wieder im Patriarchat, war eine grosse Beerdigung des Vaters eines Priesters im Gang, wo wir einen Teil beiwohnten.

Der Zeremonie stand Bischof Joseph Apsi vor, der uns eingeladen hat, nach der Feier mit ihm nach Maalula zu fahren zu einem ganz besonderen Anlass.

Das 3000 Seelendorf feierte seine beiden Patrone, die Hl. Sergius und Bacchus. Es war schon früher Abend, als wir in Maalula (ca. 50 km von Damaskus entfernt) eintrafen. Die Strasse schlängelte sich in engen Kurven zu dem 1720 m hoch gelegenen Kloster hinauf. Nach der eindrücklichen Vigilfeier wurde zu Ehren der beiden Heiligen ausgiebig gefeiert mit einem typisch orientalischen Festessen. Das muss man erlebt haben! Die Christen von Maalula sind weit über die Grenzen Syriens hinaus berühmt, denn seit Jahrhunderten hüten sie einen besonderen Schatz: die aramäische Sprache, genauer gesagt, das Westaramäische. Aramäisch war die Muttersprache Jesu.

Roger Schmidlin