Besuch Seiner Heiligkeit Papst Tawadros II. in Genf

Zwischen Pastoral und Ökumene

Die koptische Kirche in der Schweiz

Die Bestrebungen, eine koptisch-orthodoxe Kirche in der Schweiz zu gründen, gehen auf das Jahr 1962 zurück, als Bischof Samuel sel., Verantwortlicher für die sozialen und ökumenischen Angelegenheiten der koptischen Kirche, den ersten Schritt auf einem langen Weg getan hatte. Seither feiern die in der Schweiz beheimateten Kopten ihre Gottesdienste in Versammlungsräumen oder Kirchen, welche sie in Genf, Zürich, Lausanne oder anderswo mieten. 1982 gründete Maurice Fahmy zusammen mit einigen Kopten den in Lausanne eingetragenen „Verein der Kopten in der Schweiz“. 1989 beschloss man, eine entsprechende Organisation in Zürich zu gründen, welche dort am 11. Juni 2000 eingetragen wurde. Seit 1984 feierte die koptisch-orthodoxe Gemeinde der Romandie den Sonntagsgottesdienst in Vernier. Einige Jahre später konnte die koptische Gemeinde das Grundstück einer aus dem 19. Jh. stammenden Kirche erwerben. Nach der Kirchenrenovation und der Errichtung eines Gebäudes, welches die Lokalitäten für das rege Gemeindeleben, einschliesslich einer Wohnung für den Priester, zur Verfügung stellt, hat S.H. Papst Shenouda III. am 12. Juli 2004 diese erste koptische Kirche in der Schweiz eingeweiht. In der Deutschschweiz haben die Kopten 2006 in Dietlikon eine Kirche erwerben können. In der Schweiz leben ungefähr 350 bis 400 koptische Familien.

S.H. Papst Tawadros II. hat eine neue Aufteilung des Diözesen vorgenommen: die Welschschweiz wurde mit Südfrankreich zusammengenommen und erhielt einen neuen Bischof, Anba Louka; die Deutschschweiz wurde Österreich angegliedert, mit Bischof Anba Gabriel; die italienische Schweiz ist dem Bischof von Mailand, Anba Kyrollos, anvertraut worden.

Der Besuch Papst Tawadros II. in der französischen Schweiz

S.H. Papst Tawadros II., Papst-Patriarch von Alexandrien und der koptisch-orthodoxen Kirche hat vom 30. August bis 2. September 2014 eine viertägige pastorale Reise in die Schweiz unternommen.

Am 30. August wurde er von den koptischen Bischöfen Anba Louka und Anba Gabriel und der diplomatischen Vertretung Ägyptens in der Schweiz empfangen. Wenig später hat er sich in einem Interview beim Radio RSR zur aktuellen Lage, besonders der christlichen Kopten, in Ägypten geäussert.

Pastoraler Aspekt der Papstreise

Um 19.00 Uhr wurde Papst Tawadros II. vom anwesenden Klerus, den Sängern und den Gläubigen der koptischen Pfarrgemeinde, die der Jungfrau Maria anvertraut ist, feierlich empfangen. Anschliessend feierte er die Vesper und hielt eine an die Gemeinde gerichtete Predigt.

Am 31. August feierte der Papst die sonntägliche Liturgie mit der koptischen Gemeinde. Am Abend richtete sich der Papst erneut an die koptische Gemeinde, indem er über die fundamentalen Prinzipien einer geglückten christlichen Ehe sprach; ein Thema, welches besonders die Kopten im Ausland betrifft.

Ökumenischer Aspekt der Papstreise

Die 1. ökumenische Begegnung von S.H. Papst Tawadros II. war noch gleichentags mit Mgr Philippe Brizard, dem Fachmann für Fragen des Ostens beim Botschafter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen. Diese Begegnung war besonders wichtig, weil die aktuelle, Besorgnis erregende Situation der Christen in Ägypten und in Kenntnis der diesbezüglichen Rolle des Heiligen Stuhls in den Augen des Papst-Patriarchen von besonderer Bedeutung ist.

Die 2. ökumenische Begegnung fand am Montag Nachmittag, 1. September, am Sitz des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf statt, unter anderem auch, weil die koptische Kirche eine der Gründerkirchen des ÖRK ist.

Die 3. ökumenische Begegnung, die der zweite Hauptanlass dieser Reise war, war auf den späteren Montag Nachmittag angesagt. S.H. Papst Tawadros II. begab sich in die Abtei Saint-Maurice, wo er von Mgr Joseph Roduit, Abt des Klosters, und den Augustiner-Chorherren empfangen wurde. Dieser Besuch hat historischen Charakter, weil er mit der 1500 Jahrfeier der Abtei zusammen fiel. Saint-Maurice ist das älteste christliche Kloster der Welt, welches seit seiner Gründung im Jahr 515 durchgehend belebt ist und in dem ohne Unterbruch das Gebet lebendig gehalten wird.

Die Kopten haben eine besondere Verbindung zu Saint-Maurice auf Grund der Thebäischen Legion, welche unter ihrem christlichen Anführer Mauritius im 3. Jh. dort den Märtyrertod fand.

Papst Tawadros II. hatte die Gelegenheit, den Kirchenschatz, die archäologischen Stätten und die Basilika von Saint-Maurice zu besuchen. Nach der von den Chorherren gebeteten Vesper sprach der Papst, in Anwesenheit einer grossen koptischen Delegation, das Dankgebet. Anschliessend sang der koptische Chor – vor den in Saint-Maurice aufbewahrten Reliquien – eine Hymne zu Ehren des Heiligen Mauritius und seiner Gefährten. Seit 1991 wird Mauritius als Heiliger der koptisch-orthodoxen Kirche liturgisch verehrt.

Am Dienstag, 2. September, feierte Papst Tawadros II. in der Abtei von Saint-Maurice eine heilige Liturgie. Konzelebrant war Bischof Anba Kyrollos, der von einer Vielzahl koptischer Priester aus Italien begleitet wurde, und unter einer grossen Anwesenheit koptischer Gläubigen aus der Schweiz, Italien und Frankreich. Diese Liturgie wurde direkt auf die koptischen Sender übertragen und von Tausenden in Ägypten und der ganzen Welt mitverfolgt.

Die 4. ökumenische Begegnung fand am Dienstag Nachmittag statt. S.H. Papst Tawadros II. offerierte ein Dîner zu Ehren der Vertreter der verschiedenen christlichen Kirchen und der diplomatischen Vertretung von Ägypten in der Schweiz. Bei dieser Gelegenheit hat der Papst auch Mgr Charles Morerod, Bischof von Lausanne, Genf und Fribourg, und Präsident der Catholica Unio Schweiz, sowie Bischof Markus Büchel, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz begrüsst.

Dr. Waheed Hassab Alla, Lausanne

Kurzbiographie von S.H. Papst Tawadros II.:

Nach Beendigung seiner Pharmazie-Studien in England und Alexandrien 1975 war er Direktor einer pharmazeutischen Fabrik. Nach dem Theologie-Studium trat er 1988 ins Kloster Anba Bishoy ein und wurde Mönch. Nach seiner Bischofsweihe 1997 war er Bischof von Beheira, im Nildelta.

Biographische Daten von Dr. Waheed Hassab Alla:

Geb. 1952 in Ägypten. Theologe der koptisch-orthodoxen Kirche. Er absolvierte seine Theologie-Studien in Kairo, die er 1975 mit dem Lizenziat abschloss. Zum Dr. theol. promovierte er 1985 an der Universität in Fribourg mit der These „Die Kindertaufe in der Tradition der koptischen Kirche von Alexandria“. Er ist Autor verschiedener Artikel im Bereich der Taufpraxis und der Alexandrinischen Theologie wie auch des interreligiösen Diskurses zwischen Christen und Muslimen.