Christen in Ägypten – engagiert und begeisternd

Vom 20. bis 27. April 2009 reisten drei Vorstandsmitglieder des Schweizerischen Heiligland-Vereins in das Land am Nil, und ich durfte sie begleiten. Einige der Projekte und der Projektpartner kannte ich bereits, erledige ich doch die administrativen Arbeiten für Catholica Unio Schweiz und den Schweizerischen Heiligland-Verein.

Meine Vorfreude auf die Projektreise nach Ägypten war wie jedes Mal gross. Ich liebe dieses Land und noch viel mehr liebe ich seine Leute. Es war eine unvergessliche Reise, mit zahlreichen Begegnungen, berührenden Geschichten, Erlebnissen und vielen Emotionen.

Zuerst führte uns die Reise nach Port Said, der Hafenstadt am Suezkanal.

Das soziale Engagement des koptisch-orthodoxen Bischofs Anba Tadros ist bemerkenswert. Er schildert die wirtschaftliche Entwicklung in der Region, und wie trotz aller Bemühungen die Armenviertel wieder wachsen. Ägypten spürt nicht nur die aktuelle Wirtschaftskrise, auch politische Ereignisse hinterlassen Spuren. Viele Ägypter, wie zahlreiche Personen aus dem Nahen und Mittleren Osten ebenfalls, arbeiten in den Staaten am Golf, von wo sie jetzt zurückkehren müssen. Sie sind oft finanziell verantwortlich für grosse Familien. In der Region um Port Said sind die Einnahmen aus dem Suezkanal und dem Tourismus um über 50 Prozent eingebrochen. 40 Prozent der Ägypter müssen täglich mit einem Doller oder weniger auskommen – zu wenig, um das tägliche Essen zu kaufen. Von 100 Pfund, rund zwanzig Franken, kann man 400 Fladenbrote kaufen, oder 30 Kilogramm Reis, oder drei Kilo Fleisch. Der Jahresindex ist 2008 um 11,5 Prozent gestiegen. Die wahre Preisexplosion hat jedoch erst seitdem stattgefunden. Vor allem die Preise für Grundnahrungsmittel schiessen unaufhaltsam in die Höhe. Die Preise für Brot und Getreide haben sich in den vergangenen Monaten um 40 Prozent erhöht, jene für Reis und Öl um 26 Prozent. Käse, Milch und Joghurt sind um 17 Prozent teurer geworden.

Das Sozialwerk der Kirche wächst stetig. Sehr bewährt, da eigenverantwortlich und nachhaltig, hat sich die Förderung von Kleinstaktivitäten mittels Mikrokrediten.

In Kairo begegneten wir dem koptisch-katholischen Patriarchen Antonios Naguib. Über zehn Prozent der über 80 Millionen Ägypter sind Christen. Die meisten gehören der koptisch-orthodoxen Kirche an, rund 250’000 sind koptisch-katholisch und etwa 200’000 koptisch-evangelisch. Auch konnten wir an der Katechese von Papst Schenuda III., dem  Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, in der Markus-Kathedrale teilnehmen.

Ich mag das Zugfahren in Ägypten. Die wunderschöne Landschaft gleitet vorbei, ruhig, langsam und fast meditativ. Die Hauptlinie führt entlang des Nils, durch Städte und vor allem Dörfer. Die Bauern bearbeiten das fruchtbare Land noch gleich wie ihre Vorfahren, mit einfachem Werkzeug und ruhigen Gesten. Die Flächen sind klein, werden von Vater zu Sohn weitergegeben. Die Ernte erfolgt zweimal im Jahr. Ihr Vermögen sind ihre Kühe, Ochsen, Esel, Hühner.

Mit Bischof Ibrahim Isaac Sedrak aus Minia besuchen wir verschiedene Dörfer. Die Aufnahme ist herzlich, und der gerade stattfindende Religionsunterricht wird angepasst.

Die Kinder möchten von uns ganz viel wissen: ob und wie die Kinder in der Schweiz beten, welche Sprache sie sprechen, wie sie leben, ob sie die Schule besuchen. Und wir erfahren, wie sie leben, was sie sich erhoffen. Die Fröhlichkeit und Lebensfreude der Kinder, aber auch der Erwachsenen, ist ansteckend, beeindruckt uns inmitten der bescheidenen Lebensverhältnisse.

Die Gemeindepriester leben einfach inmitten ihrer Pfarreien und engagieren sich zum Wohle der ganzen Bevölkerung. In einigen Pfarreizentren sollen Ambulatorien entstehen, damit die Dörfer endlich eine minimale medizinische Versorgung erhalten. Autos sieht man nur wenige, Esel und Motorräder sind praktischer.

Beeindruckend war unser Besuch in der jüngsten Pfarrei im Bistum Minia. Ein ehemaliger Stall, ein Lehmbau, ist umgebaut worden zu einer Kirche. Gleich nebenan könnten sie nun ein Stück Land kaufen, doch der Kaufpreis liegt ausserhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten.

Ein Dorfpriester erhält vom Bistum monatlich 500 Pfund, rund 100 Franken. Mit unseren Messstipendien sichern wir ihren Lebensunterhalt.

Der Sozialdienst des Bistums Minia ist unverzichtbar, die Sozialarbeiter betreuen arme Familien, junge Frauen und Kinder, behinderte Kinder und Erwachsene, Krebs- und Aidskranke, Gefangene und ihre Familienangehörigen. Ihr Einsatz wird allseits – auch vom Staat – akzeptiert.

Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften ist respektvoll und gut. Das Ziel ist dasselbe, nämlich der Einsatz zum Wohle des Nächsten, aus Liebe zu Allah und zu den Menschen. Elisabeth Janssen