Das leuchtende Zeugnis der Nonnen im christlichen Orient

Auf Wunsch von Papst Franziskus feiern wir in der katholischen Kirche vom 30. November 2014 bis zum 2. Februar 2016 das Jahr des Geweihten Lebens. Es geht ihm besonders um die Berufung, „Jesus in vollkommener Ausrichtung nach seinem Evangelium und im Dienst der Kirche nachzufolgen“.

Dabei lohnt sich ein Blick in die Ostkirchen. Papst Johannes Paul II. schrieb mit Recht in seinem Apostolischen Schreiben ORIENTALE LUMEN (Nr.9): „Die ersten christlichen Mönche sind im Orient geboren, und das monastische Leben war wesentlicher Bestand des lumen orientale, das von den grossen Vätern der ungeteilten Kirche an das Abendland weitergegeben wurde.“

Er schreibt weiter: „Wenn die Berufung durch Gott eine totale ist wie im monastischen Leben, dann vermag die Person die höchste Stufe dessen zu erreichen, was Sensibilität, Kultur und Spiritualität auszudrücken imstande sind. Das gilt um so mehr für die Ostkirchen, für die das Mönchtum eine wesentliche Erfahrung darstellte und das sich auch heute noch als blühend erweist.“

Er erinnert dabei besonders an das leuchtende Zeugnis der Nonnen im christlichen Orient. „Es hat ein Modell der Hochschätzung des spezifisch Weiblichen in der Kirche aufgezeigt, indem es auch die Denkweise der Zeit aufgebrochen hat. Als im Zuge der jüngsten Verfolgungen, vor allem in den Ländern Osteuropas, viele Männerklöster gewaltsam geschlossen wurden, hat das weibliche Ordenswesen die Flamme des monastischen Lebens am Brennen erhalten. Das Charisma der Nonne mit den für sie spezifischen Wesensmerkmalen ist ein sichtbares Zeichen für jene Mütterlichkeit Gottes, auf die sich die Heilige Schrift so oft beruft.“

Deshalb sollen im Folgenden Texte einer orthodoxen Nonne, Mutter Evfrosinia, stehen.

P. Kilian Karrer

Ein Bruder machte sich auf den Weg, um Abba Joseph zu sehen, und sagte zu ihm: „Abba, soweit ich vermag, spreche ich meine Gebetsregel, ich faste ein wenig, ich bete und gebe mich der Betrachtung hin, ich lebe in Frieden, soweit ich kann, ich reinige meine Gedanken. Was kann ich sonst noch tun?“ Da stand der alte Mann auf und streckte seine Hände gen Himmel aus. Seine Finger wurden wie zehn feurige Leuchten, und er sprach zu ihm: „Wenn du willst, kannst du ganz Flamme werden.“

(aus den Apophthegmata Patrum)

Dies ist das Mönchtum: eine Sehnsucht nach Gott, die keine Grenzen kennt. Es ist der Anfang der kommenden Weltzeit, des Königreichs des Himmels, schon hier auf Erden. Die Kirche nennt das Mönchtum das engelhafte Leben. Entsprechend der heiligen Tradition erschien im 4. Jahrhundert ein Engel dem hl. Pacho-mius, dem ersten der Mönche, die ihren Kampf in der ägyptischen Wüste führten, um eine mönchische Gemeinschaft zu gründen, und gab ihm eine Bronzetafel, auf der eine Regel eingetragen war, der seine Mönche folgen sollten. Von den apostolischen Zeiten bis in die Gegenwart haben Tausende, Hunderttausende, wahrscheinlich Millionen von Menschen alles verlassen, was sie hatten, und alles verachtet, das diese Welt anzubieten hat, um Christus zu folgen und um die Evangelien vollständiger zu leben.

Zu Zeiten ist dieser Impuls stärker gewesen, zu anderen Zeiten schwächer, und die Heiligen Väter sprechen vom Mönchtum als dem Barometer des geistlichen Lebens in der Kirche. Am Ende des 4. Jahrhunderts, als die Verfolgung der Christen aufhörte und die Kirche zum ersten Mal Frieden erfuhr, doch der Eifer der Bekehrten sich noch nicht abgekühlt hatte und viele Christen wünschten, Christus alles zu geben, wurde das Mönchtum sogar zu einer Massenbewegung.

Was ist es, das weiterhin Menschen zu dieser Lebensweise hinzieht, die im Grunde genommen ein Geheimnis ist, etwas, von dem sogar die heiligsten Mönche mit Ehrfurcht und Zittern sprechen? Vor allem ist das Mönchtum der Weg der Reue. Nicht jene Art Reue, wenn wir innehalten, um zu seufzen, und wir Bedauern empfinden über die schlechten Dinge, die wir getan haben, woraufhin wir uns schnell dem nächsten Punkt auf unserer Liste der zu erledigenden Dinge zuwenden. Oder wenn wir eine Liste von Sünden bei der Beichte murmeln, damit wir zur Kommunion gehen können. Nein, jene Art Reue bedeutet eine völlig Umwendung, eine Bekehrung, einen tiefen Wandel im Lebensstil. Dies ist die Reue des Verlorenen Sohns aus dem Evangelium, der dahin gelangt, festzustellen, dass sein ganzer Lebensweg sehr falsch gewesen ist, und der alles hinter sich lässt, um zu seinem Vater nach Hause zu gehen und um Verzeihung zu bitten. Der Gottesdienst der monastischen Tonsur beginnt mit einem Vers, der diese Parabel umschreibt: „Eile, mir Deine väterlichen Arme aufzutun, denn wie der Verschwender [der Verlorene Sohn] habe ich mein Leben vergeudet. In der unfehlbaren Fülle Deines Erbarmens, o Erlöser, weise nicht mein Herz in seiner Armut zurück. Denn in Zerknirschung schreie ich zu Dir, Herr: Vater, ich habe gegen den Himmel und vor Dir gesündigt.“ Es ist diese Sehnsucht nach der Umarmung unseres himmlischen Vaters, nach Seiner Verzeihung und nach einem Zuhause bei Ihm, der immer noch Menschen dazu bringt, allem den Rücken zu kehren und den mühseligen Weg auf dieser felsigen Strasse zu gehen.

Wenn der Mönch erst einmal aus der Welt entkommen ist, beginnt er schliesslich den Versuch, klar zu denken und sich auf die Dinge zu konzentrieren, die sein ewiges Schicksal bestimmen. Er beginnt, wirklich zu verstehen und zu glauben, dass wir elende Sünder wirklich am Verderben sind, dass wir verzweifelt einen Erlöser brauchen, der die Seele heilt, und dass nur in Ihm das Leben ist. Alles andere ausserhalb davon ist leer und sinnlos. Er beginnt, dies wirklich zu fühlen und zu erfahren, und nicht einfach nur diese Wörter zu sprechen. Nur wenn der Mensch aufhört, dem Lärm und Trubel der Welt zuzuhören, seine Augen von ihren wilden, psychedelischen Farben abwendet und wenn er über den Kater hinwegkommt, den ihm die Welt durch die Vergnügungen hinterlässt, beginnt er, sich klar zu sehen und die Bedeutung und das Ziel des Lebens auf dieser Erde wahrzunehmen und gegen seinen Feind, den Bösen, zu kämpfen.