Eindrücke vom Nahen Osten (II)

(Libanon, Syrien und Antiochien)

22. April bis 6. Mai 2008   (Teil II)

In Aleppo angekommen, wurden wir im Bischofshaus einquartiert. Mit Metropolit Mgr. Jean Jeanbart, Abuna Jgnace Dick und Père Jmade nahmen wir das Abendessen ein.

Am folgenden Tag (Montag, 28. April) konzelebrierten wir bei der Messe mit dem Metropoliten, und nach dem gemeinsamen Frühstück fuhren wir Richtung Norden mit dem Ziel «Qala’at Samaan», auf deutsch Simeons-Kloster. Auf dem Weg dorthin besichtigten wir die auf einem Hügel gelegene Kirchenruine aus dem 5. Jh.; wie uns gesagt wurde, soll es die erste Marienkirche auf syrischem Boden gewesen sein. Der absolute Höhepunkt des Tages war der Besuch der Klosterruinen des hl. Simeon, des Säulenheiligen.

Die schönste und grösste frühchristliche Wallfahrtsanlage des Vorderen Orients ist die Hauptattraktion unter den zahlreichen antiken Denkmälern Syriens. Von der Kirche aus bietet sich dem Besucher das bezaubernde Panorama einer fast grenzenlosen Weite. Die ganze Anlage zu besichtigen nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Das Spezielle an dieser Klosteranlage sind wohl die vier Basiliken, die sich kreuzförmig zum zentralen Oktogon hin öffnen, in der Mitte stehend die Simeonssäule, von der heute nur noch ein Stumpf erhalten ist. Ebenso sehenswert ist das Baptisterium mit der dazugehörigen kleinen Pilgerkirche.

Auf die Vita des hl. Simeon Stylites einzugehen würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen, darum verzichte ich darauf.

Das nächste Ziel war die antike Stadt Cyrrhus, die wir infolge einer Autopanne nicht mehr erreichen konnten. Pater Elias organisierte für uns eine Rückfahrmöglichkeit nach Aleppo, was ihm auch gelang. Mit einem Lieferwagen erreichten wir nach ca. zweistündiger Fahrt die Stadt Aleppo.

Am Dienstag, unserem letzten Tag in Aleppo, bummelten wir durch den Souk, den typisch orientalischer Bazar. Die orientalischen Gewürze und Parfums umhüllten mit ihrem Duft das ganze Marktgeschehen. Die Zitadelle konnten wir leider nur von aussen betrachten, dienstags war sie geschlossen. – dafür als Alternative entschieden wir uns für die Omaijaden-Moschee. Auffallend ist ihr hohes quadratisches Minarett. Der imposante Steinturm ist mit nach oben immer reicher werdendem Reliefschmuck verziert. Im Innern der Moschee befindet sich ein Schrein, in dem angeblich das Haupt des Zacharias, des Vaters von Johannes dem Täufer, aufbewahrt wird.

Zur Übernachtung fuhren wir zurück nach Marmarita zu den Paulisten.

Der nächste Höhepunkt erwartete uns am nächsten Tag (30. April) in Palmyra. Das UNESCO-Welterbe ist ein Muss für jeden Syrien-Reisenden! Die Oase mitten in der syrischen Wüste zählt man zu den interessantesten Ruinenstätten überhaupt. Palmyra war eine bedeutende Handelsstation an der Seidenstrasse, so ist es nicht verwunderlich, dass verschiedene Kulturen und Völker ihre Spuren hinterlassen haben.

Als Ausgangspunkt für eine Besichtigung der Ruinenstadt wurde uns empfohlen, beim heiligen Bezirk des Bel-Tempels anzufangen. Vorbei an der grossen Kolonnadenstrasse wurde man auf Schritt und Tritt mit längst vergangener Zeit konfrontiert. Das Theater, die Thermen und vieles mehr präsentierten unseren Blicken die Meisterwerke römischer Architektur. Voller Eindrücke, die zuerst einmal vorverdaut werden mussten, kehrten wir zurück nach Marmarita, wo unsere Freunde uns erwarteten, um in einem feinen Restaurant ein typisch arabisches Abendessen einzunehmen.

Am 1. Mai, Christi Himmelfahrt, feierten wir bei den Schwestern in Marmarita die hl. Messe. Nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns von unsern liebgewordenen Mitbrüdern und fuhren nach Safita in den «Convent St. Paul». Dort nahm uns Dr. Joseph Maalouf – er ist Professor der Philosophie an der Universität Beirut und ein Freund von V. Felix – in Empfang. Er hatte sich bereit erklärt, uns die nächsten drei Tage zu begleiten. Nach einer kurzen Rundfahrt durch Safita ging es weiter nach Tartus, wo wir am Mittelmeerstrand bei einem Spaziergang unsere Lungen mit Meeresluft füllten. Unser nächstes Ziel, wieder ein UNESCO-Weltkulturerbe, Saladins Burg. Mitten in einer fruchtbaren Hügellandschaft gelegen, scheint es, als würde die Burg versteck spielen. Von jeder anderen Seite zeigte sich das gewaltige Bauwerk noch imposanter. Aus zeitlichen Gründen entschieden wir uns für die äusserliche Besichtigung.

Weiter ging es Richtung Westen nach Lattakia zum erzbischöflichen Sitz, wo uns Mgr. Nicolas Saouaf, Erzbischof von Lattakia bereits erwartete.

Nach einer erholsamen Nacht fuhren wir am Freitagmorgen mit einem Touristentaxi zur türkischen Grenze. Der Ablauf am Zoll schien mir ziemlich unbeholfen zu sein. Nach ca. einer Stunde waren die Ein- bzw. Ausreiseformalitäten erledigt.

Unsere Fahrt führte uns durch eine bezaubernde Gegend: Pinienwälder, Olivenhaine, Obstgärten, Getreidefelder, sanfte mit bunten Blumen übersäte Hügelzüge und viele kleine verträumte Dörfer wechselten sich ab. Plötzlich zeigte sich, in der Talsenke eingebettet, die altehrwürdige Stadt Antiochia (heute Antakya). In der Stadt angekommen, zog es uns zuerst zur bekannten Felsenkirche des Petrus, leider war sie geschlossen, so dass wir uns also dem nächsten Objekt zuwandten. Wir besuchten die gr. Orthodoxe Kirche, die uns durch ihre Architektur sehr beeindruckte. Zu Fuss ging es weiter durch viele enge Gassen, wo wir dann endlich die kleine, ziemlich versteckte katholische Kirche fanden. Nach einer kurzen Begegnung mit dem Pfarrer (ein ital. Kapuziner) meldete sich dann der Hunger. In einem türkischen Restaurant stillten wir unseren Hunger und Durst. Wir entschlossen uns nach dem Essen wieder langsam zurückzufahren nach Syrien. Nach dem Grenzübergang trafen wir wieder unseren Freund Joseph Maalouf. Er empfahl uns – da wir ja ohnehin auf der Rückfahrt nach Lattakia waren, das alte Ugarit anzusehen. Der Ort ist eine der wichtigsten frühgeschichtlichen Stätten des Landes und Fundort eines Tontafelarchivs mit dem ältesten Keilschriftalphabet. Die Ortsbezeichnung Ugaru (Feld) ist seit 2300 v.Chr. belegt.

Am Abend wurden wir von Bischof Nicolas Saouaf zu einem feinen Nachtessen eingeladen. Im Gespräch mit ihm erfuhren wir von den Sorgen und Nöten der Christen im Nahen Osten.

Samstag der 3. Mai war Reisetag. Eine lange Fahrt stand uns bevor. An der Mitteleerküste entlang mit einem Mittagshalt in Tripoli kamen wir gegen Abend doch sehr müde in Harissa an.

Am andern Tag (Sonntag) feierten wir in Konzelebration mit den Paulisten-Patres die göttliche Liturgie in der wunderschönen Kirche. Nach dem Mittagessen inklusive Mittagsschläfchen machten wir noch einen Besuch bei den Schwestern im «Couvent St. Michael» und bei den Basilianerinnen im «Couvent d’Annonciation», wo wir den klostereigenen Wein verkosten durften.

Am Montag war Ruhetag angesagt, schliesslich mussten wir noch unsere Koffer packen.

Die Reise in den Nahen Osten hat mir persönlich einen ausgezeichneten Einblick in die Kultur dieser Länder, die Kirche und über die Situation der Christen verschafft. Es entstanden Kontakte, die ich gerne weiter pflegen möchte. Doch eine solche hoch konzentrierte Ladung an Eindrücken, Begegnungen und Besichtigungen müssen zuerst verarbeitet und eingeordnet werden. Die Erfahrung, das grosse Wissen und die Kenntnisse über diese Länder von V. Felix Dillier haben sich auf mich etwas abgefärbt, sodass ich diese Menschen und Länder schätzen und lieben gelernt habe.

Am Dienstag, den 6. Mai kamen wir nach einem ruhigen Flug wohlbehalten in Genf an.

V. Roger Schmidlin