Eindrücke vom Nahen Osten (I)

vom Nahen Osten (Libanon, Syrien und Antiochien)

22. April bis 6. Mai 2008   (Teil I)

In Begleitung mit Grossarchimandrit V. Felix Dillier durfte ich die urchristlichen Gebiete im Nahen Osten: Libanon, Syrien und Antiochien (heute Türkei) kennen lernen. Es hat sich schon sehr bald herausgestellt, dass er ein hervorragender Kenner des Nahen Ostens ist; ebenso war es von Vorteil, dass er überall bekannt war.

Seine Kenntnisse und Erfahrungen mit den Christen im Nahen Osten zeigten sich in seinem grossen Bekanntenkreis; es gab kaum einen Bischof oder ein Kloster, das er nicht kannte. Das brachte auch mir Vorteile ein. An dieser Stelle sei V. Felix ganz herzlich gedankt.

Durch diese Kontakte mit den Christen (auch unterschiedlicher Destinationen) wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, dass wir im Westen diese unsere Glaubensgeschwister nicht vergessen lassen.

So machten wir uns am 22. April 2008 von Genf aus auf den Weg nach Beirut. Dort nahm uns P. Elias Aghia (Père Général) der Paulisten herzlich in Empfang, um uns in sein Kloster nach Harissa zu bringen. Auf der Fahrt durchquerten wir die Hauptstadt Beirut. Unsern neugierigen Blicken entgingen die Folgen des letzten Krieges natürlich nicht. Ganze Häuserreihen zeigten noch ihre durchlöcherten Fassaden, unbewohnbare Häuser stehen wie ein Skelett als Mahnmal in der Gegend, Schuttkegel zeugen von den Folgen eines sinnlosen Krieges.

In Harissa angekommen wurden wir im Kloster von den Mitbrüdern und Seminaristen herzlich willkommen geheissen. Vier der Patres feierten an diesem Abend ihren Namenstag, den Heiligen Georg (von Kappadokien). Im schönen Innenhof des Klosters bei gemütlichem Beisammensein wurde auf die vier Patres und unser Ankommen angestossen.

Am folgenden Tag stand ein Ausflug ins libanesische Hochgebirge auf dem Programm. Pater Elias der uns begleitete, wollte uns unbedingt die noch schneebedeckten Berge und den Wasserreichtum des Landes zeigen. Jedenfalls was den Schnee, die Wasserquellen und die Skilifte betrifft, wird dem Namen des Libanons als die «Schweiz des Nahen Ostens» gerecht.

Das Ziel war eigentlich das Kloster der Auferstehung in Faraiya, das wir mit etwas Verspätung erreichten.

Dort konzelebrierten wir, anschliessend assen wir mit den Mönchen zu Mittag. Die Verabschiedung schloss zugleich eine neue Einladung mit ein.

Der Nachmittag war der alten Ruinenstadt Byblos gewidmet. Byblos heisst auf arabisch Jbail und ist UNESCO-Welterbe. Diese Stadt ist wahrlich eine Perle an der libanesischen Küste. Auf dem Gelände der «Alten Stadt» kann man Mauern, Tempel und Gräber längst vergangener Zeiten bewundern. In Byblos gibt es kaum eine Mittelmeerkultur, die seine Spuren nicht hinterlassen hat.

Für den Vormittag des nächsten Tages war ein Besuch in einem Salvatorianer-Kloster vorgesehen. Auf der Fahrt dorthin zeigte sich die ganze Fruchtbarkeit des Landes. Vorbei an steilen Hängen mit den terrassenförmig angelegten Gemüsegärten, durch grüne Täler mit einer grossen Vielfalt an Obstbäumen wie verschiedene Zitrusfrüchte, Äpfel, Granatäpfel, Mispeln, Nüsse, Mandeln, natürlich Olivenbäume und noch vieles mehr. Es war, als durchquerten wir den Garten Eden.

Im Kloster angelangt, erwarteten uns schon der Abt und die Mönche zum Mittagessen. Nach einer kurzen Siesta ging es weiter Richtung Saida (Sidon) zum bekannten Marienwallfahrtsort Maghdouche. In der noch nicht fertiggestellten Wallfahrtskirche erwarteten uns der em. Bischof Georges Kwaiter und sein Nachfolger Bischof Elias Haddad. Sie erklärten uns die verschiedenen Bauphasen der Kirche und wollten natürlich die Meinung von V. Felix wegen der nächsten bevorstehenden Bauphase einholen. Nach einer ausgiebigen Besprechung und einem arabischen Kaffee verabschiedeten wir uns.

In Jounieh bei «Chez Joseph» eingekehrt, assen wir ein typisches libanesisches Abendessen.

Am Freitag, 25. April stand eine längere Passfahrt von Harissa auf die andere Seite des Landes in die Bekaa-Ebene bevor; Pater Elias konnte uns an diesem Tag nicht begleiten, so sprang freundlicherweise Pater Nicolas für ihn ein. Die vielen Plakate verrieten uns sehr bald, dass wir uns in einer Schiiten-Hochburg befanden. Die Bekaa-Ebene lag vor uns in voller Pracht, ein wunderbares Farbenspiel zeigte sich, grüne und gelbe Felder, braune und rote und fast schwarze Erde wechselten sich ab. Dieses fruchtbare Tal ist wohl die Kornkammer des Libanon.

In Baalbeck (Heliopolis) angekommen, besuchte ich in Begleitung mit Pater Nicolas die römische Tempelanlage. V. Felix, der die Anlage schon mehrmals gesehen hatte, besuchte in der Zwischenzeit den Bischof von Baalbeck.

Ein Führer zeigte und erklärte uns die sehr weitläufige Anlage. Baalbeck ist UNESCO-Welterbe und gemäss den Aussagen unseres Führers der grösste römische Tempel aller Zeiten. Für Archäologen sind die Ruinen dieser Anlage so etwas wie ein Wirklichkeit gewordener Traum. Vor diesen Anlagen stehend kann man nur staunen und die Menschen bewundern, die so etwas ohne technische Hilfsmittel fertig gebracht haben.

Das Mittagessen nahmen wir bei den Eltern von Pater Nicolas, der aus Baalbeck stammt, ein. Nach dem feinen Essen und einem kräftigen Schluck Arak verabschiedeten wir uns. Auf der Weiterfahrt machten wir Halt bei den Schwestern in Jabboulé, die uns mit einer herrlichen Erfrischung empfingen. Alsbald brachen wir auf und fuhren über die noch schneebedeckten Pässe zurück nach Harissa.

Am Samstagmorgen besichtigten wir die Tropfsteinhöhlen der Grotten von Jeita. Zum Mittagessen waren wir eingeladen beim Metropoliten von Beirut Joseph Kallas. Beim Kaffee gab es interessante Gespräche mit ihm und den anwesenden Priestern.

Gegen Abend machten wir uns auf den langen Weg nach Syrien, unser Ziel war der Ort Marmarita im «Tal der Christen», wo wir uns im Haus bei den Paulisten einnisteten.

Am andern Tag, es war Sonntag, konzelebrierten wir mit den Paulisten bei voller Kirche. Nach der Messe – es war selbstverständlich – besuchten wir die nicht weit entfernte gr. Orthodoxe Kirche, um mit ihnen den Ostergruss auszutauschen; sie feierten nämlich – nach julianischem Kalender – an diesem Sonntag Ostern.

Nach dem Mittagessen nahmen wir unsere nächste Etappe unter die Räder. Unweit von Marmarita fuh-ren wir vorbei am imposanten «Krak des Chevaliers», den wir aus zeitlichen Gründen nicht mehr besichtigen konnten.

Ein unbedingter Halt war angesagt in Hama, wo wir kurz die berühmten «Noris» Wasserräder besichtigten. Das Knarren der aus Holz gebauten Wasserräder verriet uns noch ihre Aktivität. Die Wasserräder wurden seit dem 4. Jh. benutzt, um das Flusswasser in höher gelegene Bewässerungskanäle zu heben. Einzelne Schöpfräder sind bis zu 500 Jahre alt. In der Bibel wird Hama Hamath genannt. Der König von Hama schickte seinen Sohn Zoran mit Geschenken zu König David, um diesen vom Einfall nach Hamat abzuhalten (2Sam.8, 9-11).

Ein weiterer Abstecher war die Besichtigung des Ruinenfeldes von Apameia mit seiner schönen Säulenstrasse.

V. Roger Schmidlin