Griechenland in Not – der Beitrag der Kirche

Kirche und Gesellschaft

Griechenland steckt seit ein paar Jahren in der Rezession. Seit Beginn der Krise ist die griechische Wirtschaft sehr stark geschrumpft. Die Arbeitslosigkeit hat dramatisch zugenommen, Löhne und Renten wurden teilweise fast um die Hälfte gekürzt. Alles ist teurer geworden, und horrende Steuern reduzieren das Einkommen noch mehr. Was übrig bleibt, reicht gerade so zum Überleben. Offene Armut, Obdachlosigkeit, Zukunftslosigkeit der Jugend und Protestbewegungen gehören zum Alltag. Die Menschen sind frustriert, verunsichert, wütend und erschöpft. Sie fühlen sich von der Regierung und der EU verspottet und verraten. Die von der Troika geforderten Sparmassnahmen, die der Staat umsetzt, werden unerträglich: Tausende von Staatsangestellten wurden entlassen, Schulen geschlossen, Lehrer auf die Strasse gesetzt. Wo früher das Leben und die Geschäfte blühten, blickt man auf leere Plätze und verriegelte Läden. Über zwanzig Prozent der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Schlangen vor den Suppenküchen werden immer länger. Zwei Millionen Leute, allein in Athen, und vierzig Prozent im ganzen Land können sich keine Krankenversicherung mehr leisten. Nichtversicherte Krebskranke bekommen keine Therapie und keine Medikamente. Neben der Solidarität wächst auch die Kriminalität. Dazu kommt das Chaos, wenn gestreikt wird. Griechischer Salat!!! – wie es ein Artikel im Schweizer Sonntags-Blick betitelte (3. Juli 2011, 24ff.).

Die Finanzkrise macht keine Ausnahme. Die Situation ist auch für die Kirche sehr schwierig. Da die Kleriker in Griechenland vom Staat bezahlt werden, sind sie ebenfalls von einer bis zu vierzigprozentigen Lohnkürzung betroffen. Trotz ihrer persönlichen Schwierigkeiten versuchen die griechischen Geistlichen, je nach Kräften, dem Volk beizustehen. Die Kirche übt Kritik aus und wird auch kritisiert. Einige Geistliche sehen in der Finanzkrise eine geistige Krise. Sie glauben an einen direkten Zusammenhang zwischen der Wirtschaftskrise und der „ethischen oder geistigen Krise“, welche mit dem Fehlen von Werten in der Gesellschaft verbunden sei. Die „Krise der Spiritualität“ wird als Auslöser der globalen Wirtschaftskrise bezeichnet, weil die meisten Menschen in erster Linie materielle Ziele verfolgten, in der Gesellschaft Egoismus und Materialismus als oberstes Gebot gälten und Menschenliebe und Solidarität nur eine untergeordnete Rolle spielten. Aus diesem Grund solle die Kirche die Menschen so gut wie möglich begleiten und die Rolle einer Mutter übernehmen, welche die Gesellschaft zusammenhält.

Die Orthodoxe Kirche von Griechenland leistet in der Krise eine wertvolle karitative Arbeit. Sie begleitet die Menschen so gut wie möglich. Durch materielle Hilfe und moralische Unterstützung macht sie Mut, hilft den Notleidenden und spendet Trost. Das hat die Kirche schon immer getan, doch seit Ausbruch der Wirtschaftskrise hat die Orthodoxe Kirche Griechenlands ihr philanthropisches Werk beträchtlich intensiviert. Die Rolle der Kirche in der Krise kann deshalb als sehr wichtig bewertet werden.

Im Jahr 2010 hat das Erzbistum von Athen die Hilfsorganisation APOSTOLI (MISSION) ins Leben gerufen. Ihre Aktivitäten erstrecken sich auf die Bereiche Mensch, Entwicklung und Ausbildung und dies sowohl auf nationaler und, falls nötig, – für griechische Minderheiten – auch auf internationaler Ebene.

Hilfsorganisation  ΑΠΟΣΤΟΛΗ (MISSION)

Die MISSION führt zahlreiche Sozialprojekte durch:

Programm „Die Kirche auf der Strasse“

Die Aktion besteht in der kostenlosen Verteilung von Mahlzeiten, täglich und an 365 Tagen im Jahr, an Wohnungslose, Ausländer, Suchtkranke und allgemein an Mittellose, gleich welcher Herkunft oder sonstigen Unterschieds.

Programm „Die Kirche zu Hause“

Im Juli 2011 begann MISSION mit der Realisierung des Programms „Die Kirche zu Hause“. Jeden Monat bekommen griechische Familien, die an der Armutsgrenze leben, ein Paket mit Nahrungsmitteln, ein sogenanntes „Paket der Liebe“.

Programm MISSION an der Seite der Schüler

Dieses Programm bietet – auf angemessene Weise, so dass die Anonymität und die Würde gewahrt bleiben – den Schülern und Schülerinnen aus armen Verhältnissen eine ausreichende Ernährung.

Programm „Ich habe eine MISSION“

Bei diesem Programm werden Bücher an Bibliotheken in abgelegenen Grenzregionen geschickt, wird das nötige Schreibmaterial zu Verfügung gestellt, Nachhilfeunterricht organisiert und für jede mögliche Hilfe gesorgt.

MISSION bei den Obdachlosen

Abends – und bis in die frühen Morgenstunden – werden den umherirrenden Wohnungslosen in Athen Essen, Fruchtsäfte und Wasser angeboten, und Ärzte stehen für die medizinische Versorgung zur Verfügung.

MISSION bei den Gefangenen

MISSION ist bemüht, den täglichen Grundbedarf der Gefangenen zu decken, indem sie ihnen nebst der Seelsorge auch Tausende von Hygiene- und Pflegeprodukten übergibt. Darüber hinaus verteilt sie grosse Mengen an Kleidung, Mahlzeiten, aber auch Computer. Damit trägt sie zur Ermutigung der Häftlinge bei, sich aktiv an Ausbildungsprozessen zu beteiligen.

MISSION ohne Grenzen

MISSION kümmert sich um Erwachsene und Kinder mit körperlicher und geistiger Behinderung (z.B. Down-Syndrom).

MISSION bei Kranken und alten Menschen

Pastorale Besuche bei Patienten in Krankenhäusern und Altersheimen.

An der Seite von Kranken, Kraft und Trost spendend:

der Erzbischof von Athen, Hieronymos II.

MISSION: Zusammenarbeit mit dem Ärzteverband Athen „Ärztepraxis sozialer Mission“

Ziel ist die Errichtung einer ärztlichen Station, die eine primäre Gesundheitsversorgung für alle gewährt, die die Sozialversicherung verloren haben.

MISSION ermöglicht kostenlose Medikamentenabgabe

Am 1. Oktober 2013 begann ein Programm für die Abgabe kostenloser Medikamente an arme und nicht versicherte Bürger und Bürgerinnen, mit Hilfe eines Sammelnetzes und über eine soziale Medikamentenbank.

Abgabe kostenloser Medikamente (Aufschrift: „Alle zusammen“)

MISSION errichtet soziale Supermärkte

Seit 2011 betreibt MISSION mehrere soziale Supermärkte, um Hunderte von Menschen (Mittellose, kinderreiche Familien) mit den nötigsten Grundnahrungsmitteln zu versorgen.

MISSION unterstützt kinderreiche Familien

Für kinderreiche Familien werden spezielle Hilfsprogramme angeboten (z.B. finanzielle Unterstützung, medizinische Versorgung, Nahrungspakete).

Hilfsprogramme für kinderreiche Familien

Ohne die Orthodoxe Kirche und die Gemeinschaft im Glauben hätten die Griechen als Volk in der Vergangenheit wohl nie überlebt. Die Kirche war es, welche die griechische Identität, die Sprache, die Religion, die Kultur und die Tradition bewahrte. Diese Rolle ist auch heute noch im Bewusstsein der Menschen und unvergessen geblieben. Mit den zahlreichen Sozialprojekten, welche die Kirche – nebst dem moralischen Beistand – in der aktuellen Krisensituation durchführt und anbietet, übernimmt sie weiterhin die Rolle der liebevollen, schützenden Mutter, die alle Menschen unterstützt und die gesamte Gesellschaft umarmt.

Dr. theol. Konstantina Peppa, Athen

Dr. theol. Konstantina Peppa hat an der christ-katholisch-theologischen Fakultät in Bern ihre Doktoratsstudien abgeschlossen. Sie ist heute Gymnasiallehrerin für Religionskunde und Ethik in Athen.