Kommunion – Begegnung mit dem Göttlichen

Zu Ostern

I.

Die byzantinisch-orthodoxe Liturgie stellt die Kommunion – wie übrigens alle Sakramente – als Mysterium, ein Geheimnis dar, in dem Gott dem unvollkommenen, sündigen Menschen in besonderer Weise als menschenfreundlicher Gott entgegentritt. Je mehr man sich im Verlauf der Liturgie der Kommunion nähert, desto inniger bekennt der Mensch seine Schwäche. Die Kommunion wird als „heiliges Opfer“ gefeiert, bei dem der Sühneakt Jesu Christi im Mittelpunkt steht. Die Teilnahme am „Tisch des Herrn“ entblösst die Unzulänglichkeit des Menschen, der aber gerade deswegen auf die Hilfe Gottes angewiesen ist. Nur die demütige Haltung – eine Tugend, die heute weitgehend abhanden gekommen ist – erlaubt es, vor Gott hinzutreten. So stammelt der Mensch ein Bekenntnis des Glaubens[1], welches sich durch seine Länge auszeichnet, indem er Christus als Sohn Gottes bezeugt und das Vertrauen in das Verzeihen Gottes zum Ausdruck bringt. Wie eine Erlösung ertönt schliesslich der Ruf des Diakons[2]:

„Mit Gottesfurcht, Glauben und Liebe tretet herzu.“

Und der Kommunionspruch, den der Priester zu jeder Person spricht, die kommuniziert, ist wie die Zusicherung dieser Erlösung:

„Der Diener / die Dienerin Gottes erhält Anteil am kostbaren Leib und Blut unseres Herrn und Gottes und Erlösers Jesus Christus, zur Vergebung seiner / ihrer Sünden und zum ewigen Leben.“

Währenddessen singt der Chor Hymnen:

„Den Leib Christi empfanget, und kostet von der unsterblichen Quelle.“

oder: „Zu deinem heiligen Abendmahl.“

Textfeld:  Und sehr trostvoll, aber auch in eindrucksvoller Geste, erhebt der Priester am Ende der Kommunion den Kelch und segnet die Gläubigen mit den Worten:

„Rette, oh Gott, dein Volk und segne dein Erbe.“

II.

Die besinnliche Stimmung auf die Kommunion hin ist nach Erhalt der Kommunion augenblicklich vertrieben. Es ertönt ein erlösender, froher Gesang mit wunderbarem Inhalt, der das Herz eines jeden erhellt:

„Wir haben das wahre Licht geschaut;

Textfeld: Der Auferstandene holt Adam und Eva sowie alle Verstorbenen aus den Gräbern.Wir haben den himmlischen Geist empfangen;

Wir haben den wahren Glauben gefunden,

da wir die unteilbare Trinität anbeten,

denn sie hat uns erlöst.“

Dieser frohlockende Gesang ist ein Kernstück der „Göttlichen Liturgie“; er drückt das Wesen des orthodoxen Glaubens aus: Die Orthodoxie bleibt nicht beim Kreuz stehen, sondern alles ist von der Auferstehung her zu verstehen und auf die Begegnung mit dem Auferstandenen hingeordnet. Durch das „Himmlische Brot“ wird der Mensch in die himmlische Dimension hineingenommen, erhält er Anteil am Göttlichen, wird er in die Gemeinschaft (communio) mit dem Auferstandenen aufgenommen, wird er befähigt, das göttliche Licht zu schauen. Einerseits ist der Glaube die Voraussetzung für den Empfang der Kommunion, andererseits wird durch den Empfang des Leibes und Blutes Christi der Glaube gestärkt und der gläubige Mensch erkennt die Wahrheit des Glaubens, d.h. dass der Glaube an Gott durch Jesus Christus wahr ist.

Das kommt auch im Auferstehungshymnus zum Ausdruck, den der Diakon nach der Kommunion betet:

„Da wir die Auferstehung Christi geschaut haben,

lasset uns nun den heiligen Herrn Jesus, den allein Sündlosen, anbeten.

Dein Kreuz verehren wir, oh Christus;

Deine heilige Auferstehung besingen und preisen wir,

denn Du bist unser Gott…“

All diese Erfahrungen führen dazu, dass sich der Mensch Gott gegenüber als dankbar erweist, was mit dem Begriff „Eucharistie“ zum Ausdruck kommt und wörtlich „Danksagung“ heisst.

III.

Der Apostel Paulus hat im „Hohen Lied der Liebe“ die Begegnung mit dem Göttlichen auf eindrückliche Weise beschrieben:

„Stückwerk ist unser Erkennen.

Wenn aber das Vollendete kommt,

vergeht alles Stückwerk.

Jetzt schauen wir wie in einen Spiegel

und sehen nur rätselhafte Umrisse,

dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.

Jetzt erkenne ich unvollkommen,

dann aber werde ich durch und durch erkennen,

so wie auch ich durch und durch erkannt worden bin.“

(vgl. 1Kor13,9-13)

Paulus visiert hierbei die letzte Begegnung mit Gott, nach dem Tod. Doch wissen wir, dass es Menschen gibt, die bereits zu Lebzeit eine „Schau Gottes“ erfahren haben. Das Abendmahl ist nicht nur ein Erinnerungsmahl, die heiligen Gaben sind nicht nur eine Wegzehrung, die Eucharistie ist darüber hinaus eine Kommunion, weil sie den Gläubigen zur communio mit dem Heiligen führt und ihm / ihr Anteil am Göttlichen verleiht. Die Kommunion ist also alles in allem.


[1] Dieser Beitrag versteht sich im Anschluss an die Ausführungen von Protodiakon Daniel Blättler im Rundbrief 2/2018 über „Das Gebet zum Empfang der heiligen Kommunion“.

[2] S. Rundbrief 2/2018, S. 3.

[3] Reihenfolge und Hymnen können in der griechischen und der slawischen Tradition variieren.