Kreuzerhöhung – Ein Fest in Ost und West

Auch heute, in einer Zeit, in der immer öfters die Entfernung der Kreuze aus öffentlichen Gebäuden und von den Gipfeln der Berge gefordert wird, feiern die Kirchen in Ost und West jeweils am 14. September unbeirrt das Hochfest bzw. Fest „Kreuzerhöhung“.

„Vor deinem Kreuz fallen wir nieder, o Herr, und deine heilige Auferstehung verherrlichen wir!“[1]

Die Ursprünge von „Kreuzerhöhung“ liegen im Kirchweihfest der Grabes- oder besser: Auferstehungskirche in Jerusalem. Dieser Kirchenbau über dem Grab Jesu und der Richtstätte Golgotha wurde durch Kaiser Konstantin errichtet und am 13. September 335 eingeweiht. Damit verbunden war die feierliche Aufrichtung eines grossen Kreuzes durch den Bischof von Jerusalem. Die Pilgerin Egeria schildert Ende des 4. Jahrhunderts von diesem Fest, das in Verbindung steht mit der legendären Auffindung des Kreuzes Christi durch Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, am 14. September um das Jahr 320/326 n.Chr.

Wurde das Kirchweihfest also am 13. September gefeiert, hatte sich die feierliche Erhöhung des Kreuzes Christi am 14. September schon bald zu einem eigenen Festinhalt verselbständigt.[2]

Worin aber liegt der Sinn der Kreuzverehrung? Ist die Verehrung des Kreuzes nicht eine fragwürdige Verherrlichung des grausamen Leidens und Sterbens Jesu? Steht dahinter nicht ein ebenso fragwürdiges Bild eines Gottes, der ein blutiges Opfer seines Sohnes braucht, um mit der Menschheit versöhnt zu sein? – Verständliche Fragen, die schon der Völkerapostel Paulus wohl immer wieder zu hören bekam. Seine Antwort:

Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen, und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen.“

1 Kor 1,22-25

Im Blick auf die Kreuzverehrung bedeutet dies:

„Die Wirklichkeit des heiligen Kreuzes ist… Jesus Christus selbst, der am Kreuz unsere Schuld getilgt, den Tod vernichtet und die Dämonen besiegt hat. Wird nicht Er Selbst als die Wirklichkeit des Kreuzes erkannt, so ist die Kreuzesverehrung Götzendienst. Das Kreuz verehren heisst also: Christus als Sieger am Kreuz verehren. Das aber bedeutet, dass das Kreuz im orthodoxen Glauben nie isoliert als Zeichen des blossen Leidens gesehen werden kann, sondern immer von der Auferstehung her in Blick zu nehmen ist. […] Das Kreuz kann man nur von der Auferstehung her sehen, auch wenn es noch so hart drückt. Von der Auferstehung her aber ist es ein kostbares, lebenspendendes Kreuz. Die Verehrung des kostbaren, lebenspendenden Kreuzes aber ist ein Akt dankbarer Annahme der Heilstat Christi und dessen, was sie uns gebracht hat; zugleich ist es aber auch ein Akt gehorsamer Unterwerfung unter das Kreuz, das uns in die Nachfolge ruft.[3]

So ist der feierliche Segen mit dem grossen, blumengeschmückten Kreuz während der Festliturgie mit der anschliessenden Verehrung des Kreuzes durch alle Gläubigen, wie auch die Verehrung des Kreuzes am Schluss jeder Göttlichen Liturgie, ein dankbares Bekenntnis zur Heilstat Jesu, zu seinem Sterben und seiner Auferstehung, zur Überwindung von Leid und Tod. – Das Kreuz wird zum Lebensbaum.

Dies nimmt einer der Festgesänge zu den Laudespsalmen an Kreuzerhöhung auf, wenn es da heisst:

„Heute wird der in der Erde verborgene Baum des Lebens erhöht, an den Christus gehängt war. So wird gefestigt unser Glaube an die Auferstehung. Hoch erhoben durch des Priesters Hand, verkündet das Kreuz Seine Auffahrt in die Himmel. Durch sie wird unsere gefallene Natur erhöht und in die himmlische Wohnung versetzt. Lasset uns danksagen und rufen:

O Herr, der Du auf das Kreuz erhoben warst, Du hast mit Dir Selbst auch uns erhoben. Würdige der himmlischen Freude, die Dich lobpreisen!“

Auch die Liturgie der lateinischen Kirche nimmt diesen Gedanken auf; so heisst es im Tagesgebet an Kreuzerhöhung:

„Allmächtiger Gott, deinem Willen gehorsam, hat dein geliebter Sohn den Tod am Kreuz auf sich genommen, um alle Menschen zu erlösen. Gib, dass wir in der Torheit des Kreuzes deine Macht und Weisheit erkennen und in Ewigkeit teilhaben an der Frucht der Erlösung.“

Und noch deutlicher wird der Bezug zum Baum des Lebens im Gebet zur Präfation, dem einleitenden Gebet zur Anaphora, zum Hochgebet:

„In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, allmächtiger Gott, immer und überall zu danken. Denn du hast das Heil der Welt auf das Holz des Kreuzes gegründet. Vom Baum des Paradieses kam der Tod, vom Baum des Kreuzes erstand das Leben. Der Feind, der am Holz gesiegt hat, wurde auch am Holze besiegt durch unseren Herrn Jesus Christus…“[4]

Wenn auch in der lateinischen Kirche die Verehrung des Kreuzes praktisch auf die Karfreitagsliturgie beschränkt geblieben ist, so hat sich das lebenspendende Kreuz liturgisch doch noch einen weiteren Ort gesichert, nämlich im Brauch, dass der Priester in diesen sommerlichen Wochen am Ende der Eucharistiefeier den Wettersegen mit einem Segenskreuz (mit Kreuzpartikel) erteilt.

Daniel Blättler, Protodiakon


[1] Gesang anstelle des Trisagions an Festtagen der Kreuzverehrung

[2] Vgl. Konrad Onasch, Lexikon Liturgie und Kunst der Ostkirche, Buchverlag Union, Berlin/München 1993,

S. 229

S. Heitz, Christus in euch, Hoffnung auf Herrlichkeit, Orthodoxes Glaubensbuch, Göttingen 1994, S. 91

[3] S. Heitz, S. 90

[4] Messbuch. Für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes, 1981, S. 771-772