‚Liturgie des Heiligen Feuers‘

Das Osterfeuer in der lateinischen Osternacht

Zu Beginn der Feier der Osternacht wird im lateinischen Ritus vor der Kirche das Osterfeuer feierlich gesegnet. Dabei betet der Priester:

«Allmächtiger, ewiger Gott, du hast durch Christus allen, die an dich glauben, das Licht deiner Herrlichkeit geschenkt. Segne dieses neue Feuer, das die Nacht erhellt, und entflamme in uns die Sehnsucht nach dir, dem unvergänglichen Licht, damit wir mit reinem Herzen zum ewigen Osterfest gelangen.»

An diesem Feuer wird dann die Osterkerze entzündet und mit dem dreimaligen Ruf: «Christus – das Licht!» in die dunkle Kirche getragen. Die Gläubigen antworten jeweils auf den Ruf mit: «Dank sei Gott!» und entzünden ihre Kerzen am Licht der Osterkerze.

Dieser Lichtritus der Osternacht mündet ein in das grosse Osterlob, das Exsultet, das mit überschäumender Freude die Auferstehung Jesu Christi besingt und verkündet.

Das Heilige Feuer in der Auferstehungskirche von Jerusalem

Auch in den orthodoxen Kirchen spielt das Feuer eine zentrale Rolle in der Feier der Auferstehung Christi. – Ganz besonders und aussergewöhnlich ist aber die «Liturgie des Heiligen Feuers» in der Auferstehungskirche in Jerusalem. – Die Katholische Presseagentur, Wien, hat darüber im Jahr 2011 wie folgt berichtet:

«Rund 350 Millionen orthodoxe und altorientalische Christen in aller Welt blicken zu den Osterfeiertagen gebannt auf Jerusalem. Am Karsamstag findet dort in der Grabeskirche eine geheimnisvolle, mehr als 1’600 Jahre alte Zeremonie statt: die „Liturgie des Heiligen Feuers“.

Die Zeremonie, bei der nach dem Volksglauben eine Flamme auf wundersame Weise aus dem Grab Christi hervorgeht, markiert alljährlich den Höhepunkt der orthodoxen Osterfeiern in der Heiligen Stadt.

Zehntausende einheimische Christen sowie Pilger aus aller Welt nehmen an der Feier teil. Die israelische Polizei ist ebenfalls jedes Jahr mit einem Grossaufgebot präsent, um den Besucherandrang zu kanalisieren […]

Jerusalemer Patriarch im Mittelpunkt

Die Vorfeier zur „Liturgie des Heiligen Feuers“ beginnt am späten Vormittag mit liturgischen Gesängen in der Kirche. Um 13 Uhr bahnt sich dann eine Delegation lokaler israelischer Beamter ihren Weg durch die Massen. […].»

Deren Aufgabe ist, «das Grab mit Wachs zu versiegeln. Bevor sie dies tun, kontrollieren sie, ob sich eine versteckte Flamme in der Kapelle befindet, an der der Patriarch seine Kerzen entzünden könnte. So sollen die israelischen Beamten sicherstellen, dass mit dem Lichtwunder kein Schwindel getrieben wird.

Um 13.45 Uhr betritt der orthodoxe Patriarch von Jerusalem die Kirche. Er wird entkleidet, bis er nur noch von einem weissen Gewand umhüllt ist. Sämtliche Lichter in der Kirche sind erloschen. Einzig verbleibende Lichtquelle ist das Sonnenlicht, das durch das Glas der Kuppel dringt. Mit zwei grossen, nicht brennenden Wachskerzen betritt der Patriarch allein die Grabkammer und kommt wenig später mit brennenden Kerzen wieder heraus. Er übergibt das Licht zuerst an den armenischen Patriarchen und dann an den koptischen. Danach reicht er die Flamme an die Gläubigen weiter.

Mit menschlichen Worten nicht beschreibbar

Dem dänischen Theologen Hvidt war es gelungen, den im Jahr 2000 verstorbenen griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem, Diodoros I., in den späten 1990er Jahren zu den Vorgängen zu befragen. Er zitierte den Patriarchen…  «Vor dem Grab spreche ich mehrere Gebete, und dann warte ich. Manchmal kann es

ein paar Minuten dauern, aber meistens ereignet sich das Wunder sofort: Von genau dem Stein, an dem Jesus lag, geht ein undefinierbares Licht aus. Seine Grundfarbe ist blau, aber es hat viele Nuancen, vor allem rötliche. Mit menschlichen Worten lässt es sich nicht beschreiben.»

Das Licht erhebe sich dann aus dem Stein, bewege sich dabei aber jedes Jahr anders. Manchmal stehe es bloss über dem Stein, manchmal erleuchte es das ganze Grab. Es sei von ganz anderer Beschaffenheit als gewöhnliches Licht in Öllampen, so Patriarch Diodorus: «Irgendwann sammelt sich das Licht in einer Säule und ändert seine Beschaffenheit so, dass ich daran meine Kerzen entzünden kann.»

Die gewichtigsten Argumente gegen einen vermeintlichen Schwindel sind nach Ansicht des dänischen Theologen die Zeugnisse der vielen Pilger, die über Jahrhunderte beschrieben hätten, wie sie das bläulich-rötliche Licht auch ausserhalb des Grabes gesehen hatten und wie es von sich aus einige Kerzen der Gläubigen entzündete. Mehrfach sei auch überliefert, dass die Öllampen, die an den verschiedensten Stellen der Kirche hängen, von selbst zu leuchten begonnen hätten.

Bedeutung für die Einheit der Kirche

Das Wunder sei aber nicht nur für den Einzelnen von Bedeutung, um den Glauben zu stärken, sondern darüber hinaus auch für die Einheit der Kirche, so Hvidt. Er verweist auf den griechisch-orthodoxen Metropoliten Timotheos von Vostra, den früheren Kanzler des Jerusalemer Patriarchats, der der Lichtwunderzeremonie eine enorme ökumenische und einende Kraft zuschreibt. «Bis in das 13. Jahrhundert feierte die gesamte Kirche die Lichtwunderzeremonie. Selbst nachdem die Katholiken die Stadt verlassen hatten, blieb es eine vereinende Zeremonie aller Orthodoxen», so Metropolit Timoteus […]

Ob nun das wunderbare Feuer von Jerusalem oder das «gewöhnliche» Osterfeuer der lateinischen Osternachtfeier brennt, beide verkünden die gleiche wunderbare Botschaft:

«Christus ist auferstanden! – Er ist wahrhaft auferstanden!»

Ihnen ein frohes und gesegnetes Osterfest.

Daniel Blättler, Protodiakon