Maria Magdalena – die Apostelgleiche

22. Juli – das Fest der myrrhetragenden und apostelgleichen Maria von Magdala

Kaum eine Persönlichkeit der biblischen Überlieferung hat so viele Menschen aller Zeiten dermassen fasziniert und in ihren Bann gezogen wie Maria von Magdala. Die Kirchen gedenken dieser grossen, bedeutenden Frau jeweils am 22. Juli, in der Tradition des Ostens mit einem Festtag, im Westen bis vor kurzem „nur“ mit einem Gedenktag. Im Jahr 2016 hat Papst Franziskus nun den Gedenktag der Hl. Maria Magdalena auch für die römische Kirche zu einem Festtag erhoben. Damit hat er ihre besondere Bedeutung als Apostelin der Apostel eindrücklich unterstrichen.

So heisst es nun in der eigens zum Fest verfassten Präfation im lateinischen Ritus:

…im Garten hat er (Christus) sich Maria Magdalena am Ostertag offenbart, die ihn so sehr geliebt hat, als er auf Erden lebte. Sie sah ihn sterben am Kreuz, sie suchte ihn im Grab, als erste betete sie ihn an, als er von den Toten erstanden war. Er aber hat sie ausgezeichnet als Apostelin für die Apostel, damit die frohe Botschaft vom neuen Leben sich ausbreite bis an die Enden der Erde. Darum, o Herr, preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen und singen voll Freude das Lob deiner Herrlichkeit: Heilig, heilig, heilig…“

Wer aber ist die Heilige Maria Magdalena wirklich? Die Diözese Innsbruck hat eine interessante Handreichung zum Fest der Heiligen herausgegeben. Der folgende Text von Christine Drexler ist dieser Handreichung entnommen.[1]

«Zeugin. Maria Magdalena findet sich im Neuen Testament unter jenen Frauen, die mit Jesus unterwegs sind, ihn begleiten und auch unterstützen (vgl. z. B. Lk 8,1-3). Nicht nur in den leichten und unbeschwerten Zeiten begleiten die Frauen ihn, sie sind ebenso unter dem Kreuz zu finden: „Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.“ (Joh 19,25). Diese Frauen sind mutig genug, zu bleiben und das Risiko der Verhaftung einzugehen. Sie sind stark genug, die Kreuzigung mitanzusehen und bei Jesus auszuharren. Sie setzen darauf, dass sie sich – geradeweil sie Frauen sind – weit genug „unter dem Radar“ bewegen können, sodass sie nicht weiter behelligt werden und am Ende auch mitbekommen, was mit Jesus nach seinem Tod geschieht (vgl. Mk 15,47).

Verkünderin der Auferstehung. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass Maria Magdalena gleich am Morgen nach dem Sabbat wieder da ist und es zu der denkwürdigen, alles verändernden Erfahrung kommt: Sie begegnet als erste dem Auferstandenen! (Mk 16,9; Joh 20). Auch wenn sie ihn zunächst nicht erkennt, einfach nicht darauf gefasst ist: Schnell begreift sie und ist bereit, Jesus einerseits gehen zu lassen (Joh 20,17) und andererseits ihre Erfahrung mit den Jüngern zu teilen, die sich derweil verschanzt halten und ratlos sind. (Joh 20,18). Als Zeugin der Begegnung mit dem Auferstandenen, als Verkünderin der Auferstehung, noch bevor andere es überhaupt gewagt haben, an den Ort der Kreuzigung zurückzukehren, um zu sehen, was mit Jesus passiert ist: Hier liegt der Ursprung des Titels „Apostelin der Apostel“.

Persönliche Heilserfahrung. Maria Magdalena ist in zweifacher Weise Überbringerin, Zeugin der christlichen Heilsbotschaft: Einerseits als erste mündliche Zeugin der Auferstehung. Andererseits und weit darüber hinaus zeugt ihr Leben als solches von der Gnade Gottes. Der Evangelist Lukas schreibt: „Maria Magdalena, aus der sieben Dämonen ausgetrieben wurden, …“ (Lk 8,2). In dieser kleinen Andeutung steckt die Kurzbeschreibung eines ganzen Lebensschicksals: Maria Magdalena war nicht die Überfliegerin, die strahlend durchs Leben ging. Nein, sie war vom Leben gezeichnet, zwar vermutlich wohlhabend, aber alleinstehend. Über die nicht näher beschriebenen Dämonen kann man spekulieren – klar ist, dass die Zahl Sieben auf eine Fülle von krassen Schwierigkeiten hinweist. Man kann vielleicht vermuten, dass es sich um psychische, psychosomatische und daraus folgend soziale Probleme handelte. In der Begegnung mit Jesus fand sie Heilung und Befreiung.

Ambivalente Wirkungsgeschichte. Im Laufe der Kirchengeschichte wurde Maria Magdalena mit der namenlosen Sünderin (Lk 7,36-50) identifiziert und sogar als Prosituierte dargestellt – viele Gemälde, die uns geläufig sind, deuten dies an. Solche Zuschreibungen sind fragwürdig und biblisch nicht haltbar. In ihrer Wirkungsgeschichte waren sie verheerend, insofern damit menschenverachtende Ideologien gestützt und Frauen diskreditiert, gemassregelt, unterdrückt und ausgebeutet wurden. Die Motive dafür sind wohl in der Abwertung der Frau in der Theologiegeschichte zu suchen. Maria Magdalena wurde lange Zeit nicht angemessen in ihrer Bedeutung für die Botschaft von der Auferstehung wahrgenommen. Doch gerade das Heilsgeschehen, das in der Nachricht von der Auferstehung zum Ausdruck kommt, verlangt hier eine andere Sichtweise! Theologisch gesprochen: Nicht die Sieger, die Mächtigen und Einflussreichen werden zu den bevorzugten Zeugen der Auferstehung, sondern Menschen mit Gebrechen, mit einer fragwürdigen Vergangenheit, einer bleibenden Einschränkung, einem Mangel an Mut und Vertrauen. Petrus, Thomas, Paulus, um nur drei zu nennen, und allen voran: Maria Magdalena sowie die Frauen, die mit ihr (biblisch belegt) unterwegs sind und die, die (unbiblisch, aber in langer Tradition) mit ihr in Verbindung gebracht werden! Frauen wie die namenlose Sünderin sind durch die Identifizierung mit Maria Magdalena in die Nähe der Apostelin der Apostel gelangt – der ersten Zeugin der Auferstehung Jesu Christi: Frauen, die Gottes Heilswirken durch Jesus im eigenen Leben, am eigenen Leib erfahren konnten und das nicht für sich behalten haben.

Ein Mensch wie du und ich. Gerade wer vom Leben gezeichnet ist, weiss, was mit Auferstehung gemeint sein könnte: sich wieder aufrichten können – eine Gnade, die man/frau sich nicht verdient, sondern von Gott geschenkt bekommt, letztlich sogar durch den Tod hindurch. Niemand kommt durchs Leben, ohne je Dreck am Stecken zu haben, gescheitert zu sein, aufgegeben zu haben. Gott schenkt einen Neuanfang und Maria Magdalena ist dafür die Kronzeugin: Durch das, was sie gesehen und berichtet hat, UND durch ihr Leben selbst, durch das, was sie an Leib und Seele erfahren hat. Mitten im Sommer, am 22. Juli, feiern wir das Fest der Apostelin der Apostel und werden damit an die Bedeutung von Ostern erinnert. Am Ende des Arbeitsjahres, in der wohlverdienten Sommerpause finden wir liturgisch einen Hinweis auf den unverbrüchlichen Zusammenhang von Loslassen und Neubeginn, Scheitern und Gnade, Verzweiflung und Hoffnung, Tod und Auferstehung!»

Troparion vom Festtag im byzantinischen Ritus:

„Ihm, der für uns aus der Jungfrau geborenen, Christus, folgtest du nach, o ehrwürdige Maria Magdalena; seine Gebote und Satzungen hast du gehalten. Heute, da wir dein heiliges Gedächtnis feiern, loben wir dich im Glauben und verehren dich in Liebe.“

Eine faszinierende Persönlichkeit. Unweigerlich stellt sich die Frage: Was bedeutet Maria von Magdala für die Stellung der Frau in Kirche und Verkündigung…?

Daniel Blättler, Protodiakon


[1] Maria Magdalena Apostelin der Apostel Gottesdienstvorschlag zum Fest der Apostelin Maria Magdalena, 22. Juli, Gestaltungselemente zum Fest der Apostelin Maria Magdalena zur freien Verwendung. Weitere Infos und Ideen unter: www.dibk.at/Glaube-Feiern/mariamagdalena