Miteinander statt Gegeneinander

Zum Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio

Am 7. Dezember 1965, am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils, hoben Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras I. die gegenseitige Exkommunikation von Papst und Patriarch aus dem Jahre 1054 auf. Bereits am 5./6. Januar 1964 kam es zum historischen Treffen von Papst Paul VI. und dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I.

Eine symbolträchtige Geste war auch die Übersendung der Ikone „Andreas und Petrus in brüderlicher Umarmung“ durch Patriarch Athenagoras I. an Papst Paul VI. ein Jahr nach der Begegnung in Jerusalem. Sie hängt heute im Plenarsaal des Rates für die Einheit der Christen und erinnert an den Auftrag, nach Jahrhunderten der Trennung im Geist brüderlicher Liebe aufeinander zuzugehen.

Unitatis redintegratio („Die Wiederherstellung der Einheit“)

So heisst, nach seinen Anfangsworten, das Dekret über den Ökumenismus des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es umfasst ein Vorwort und drei Kapitel:

– Die katholischen Prinzipien des Ökumenismus

– Die praktische Verwirklichung des Ökumenismus

– Die vom Römischen Apostolischen Stuhl getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften

Im dritten Kapitel wird dabei spezifisch auf die Beziehungen zu den orthodoxen und reformatorischen Kirchen eingegangen. Inhaltlich ist das Dekret von der Kirchenkonstitution Lumen gentium abhängig. Es bringt eine Neuausrichtung der römisch-katholischen Kirche gegenüber den anderen christlichen Konfessionen, die nun positiver gewürdigt werden als vor dem Konzil.

Ökumene: Ausdruck der eschatologischen Dynamik der Kirche

Das Konzil beschreibt die Kirche als eine dynamische Grösse, als Volk Gottes, das zwischen dem »Schon« und dem »Noch nicht« pilgernd unterwegs ist. So verstanden ist die Ökumene der Weg der Kirche. Die Kirche ist schon jetzt die Eine, Heilige Kirche. Aber ebenso wird die Kirche erst in der Geschichte, was sie ist, was sie schon immer war und was sie bleibend ist. Sie ist unterwegs, um dieses ihr Wesen in der Wirklichkeit des Lebens in seiner Fülle konkret zu verwirklichen.

Als geistliche Bewegung hebt die ökumenische Bewegung die Tradition nicht auf; sie schenkt vielmehr neue und vertiefte Einsicht in die ein für alle Mal gegebene Überlieferung.

Das Ziel der vollen Einheit kann nur durch die Hinwendung und die Bekehrung aller zu dem einen Haupt der Kirche, Jesus Christus, erreicht werden. In dem Masse, in dem wir mit Christus eins sind, werden wir auch untereinander eins werden und die der Kirche eigene Katholizität konkret in ihrer ganzen Fülle verwirklichen.

Grundlegend ist die Taufe.

Sie ist das Sakrament des Glaubens, durch das die Getauften dem einen Leib Christi, der die Kirche ist, angehören. Die nichtkatholischen Christen sind nicht ausserhalb der einen Kirche, sie gehören ihr vielmehr in grundlegender Weise bereits an.

Wo Eucharistie gefeiert wird, ist Kirche.

Durch die Eucharistie wird die Einheit der Kirche bezeichnet und bewirkt.

So wird von der Eucharistiefeier der orthodoxen Kirchen gesagt: „So baut sich auf und wächst durch die Feier der Eucharistie des Herrn in diesen Einzelkirchen die Kirche Gottes, und durch die Konzelebration wird ihre Gemeinschaft offenbar.“ (UR 15)

Einheit als communio

Das katholische Verständnis der Ökumene setzt die in der katholischen Kirche bereits gegebene Einheit und die ebenfalls bereits gegebene teilweise Gemeinschaft (communio) mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften voraus, um von dieser unvollständigen Gemeinschaft zur vollen Gemeinschaft zu gelangen, welche Einheit im Glauben, in den Sakramenten und in der kirchlichen Leitung einschliesst.

Das Wesen der als communio verstandenen Einheit ist Katholizität in ihrer nicht konfessionellen, sondern ursprünglichen qualitativen Bedeutung: Die Verwirklichung aller Gaben, welche die Orts- und Konfessionskirchen beitragen können.

Das „ganze geistliche und liturgische, disziplinäre und theologische Erbe mit seinen verschiedenen Traditionen gehört zur vollen Katholizität und Apostolizität der Kirche“. (UR 17)

Das Konzil „spricht den dringenden Wunsch aus, dass von nun an alle ihr Bestreben darauf richten, diese Einheit allmählich zu erlangen in den verschiedenen Einrichtungen und Lebensformen der Kirche, besonders durch das Gebet und den brüderlichen Dialog über die Lehre und über die drängenden Notwendigkeiten der Seelsorgsaufgaben in unserer Zeit. In gleicher Weise empfiehlt das Heilige Konzil den Hirten und den Gläubigen der katholischen Kirche eine enge Verbundenheit mit denen, die nicht mehr im Orient, sondern fern von ihrer Heimat leben, damit die brüderliche Zusammenarbeit mit ihnen im Geist der Liebe und unter Ausschluss jeglichen Geistes streitsüchtiger Eifersucht wachse. Wenn dieses Werk mit ganzer Seele in Angriff genommen wird, so hofft das Heilige Konzil, dass die Wand, die die abendländische und die orientalische Kirche trennt, einmal hinweggenommen werde und schliesslich nur eine einzige Wohnung sei, deren fester Eckstein Jesus Christus ist, der aus beidem eines machen wird.“ (UR 18)

P. Kilian Karrer