Pfauen – paradiesische Geschöpfe auf Erden

Als ich im vergangenen Sommer einen Ausflug auf die Isola Madre im Lago Maggiore machte, wähnte ich mich im Paradies. Auf dem Spaziergang durch den Wald erspähte ich alsbald eine Lichtung. Sattgrünes Gras, umgeben von dunklen Hecken, zeigte sich und wie aus dem Nichts schritt majestätisch ein schneeweisser Pfau aus dem Gebüsch. Er schlug kein Rad, er stand nur da, mit grazilen Bewegungen. Faszination befiel mich. Wo war ich? Im Unterholz begann es zu rascheln und ich gewahrte eine Kreatur, geschmückt mit den knalligsten Farben und Mustern, die jeglichem Modedesign die Schau stehlen. Wie sich herausstellte, ein Prachtexemplar eines exotischen Fasans, zu dessen Familie auch der Pfau gehört. Die Touristen machten Fotos, zogen an mir vorbei. Ich blieb stehen und konnte mich nicht sattsehen. Es war als ob mir Einblick in ein kosmisches Zeremoniell gewährt würde. Ein Stück Himmel auf Erden.

Der Pfau ist in Indien und Sri Lanka heimisch. Von dort verbreitete er sich nach China und Japan, wurde aber auch nach Persien gebracht, bekannt durch den Pfauenthron, und kam vor ca. 4000 Jahren über die Handelsrouten nach Europa. Ursprünglich zur Zierde und Pracht an Königshöfen gehalten, so auch von König Salomon (vgl. 1Kö 10,22), ist er eine Augenweide für alle. Polygam lebt er gerne mit einem Harem von Weibchen und deren Küken zusammen, ist leicht zu halten, auch im Winter, braucht jedoch genügend Auslauf. Einzig sein Geschrei kann auf die sensiblen Zeitgenossen entnervend wirken. Dabei hat dies durchaus Sinn, warnt es doch andere Tiere vor Gefahren und kündigt Regen an.

Bei vielen Völkern und Religionen hat der Pfau eine besondere Bedeutung: So ist er der Nationalvogel Indiens; nichts darf von ihm exportiert werden. Er ist dem Gott Krishna zugeordnet und verkörpert die Schönheit, was besagt, dass der Mensch auch durch die Schönheit Gott erkennen kann. Der Pfau gilt in Indien als heiliges Tier und ist unantastbar. Im Buddhismus steht er für geistigen Sieg über die drei Daseinsgifte (Begierde, Hass, Unkenntnis). In China gilt er als Sinnbild der Verbindung von Himmel und Erde. Im Islam ist er der Inbegriff der Reinheit; nur eine Pfauenfeder ist ein würdiges Lesezeichen im Koran.

Von alters her faszinierte der Pfau. Vor allem seine Federn, an deren Ende sich je ein Auge befindet und die alljährlich im Herbst ausfallen, um im Frühjahr noch schöner und grösser zu wachsen, beflügelten Forscher jeder Couleur. Ein ausgewachsener Pfau, der 30 Jahre alt werden und bis zu 150 Deckfedern haben kann, mit einer Länge von bis zu 160 cm, imponiert den Weibchen bei gestellter Schwanzschleppe mit seiner Vielzahl an Augen, so dass diese vor seiner Stärke und Gesundheit unweigerlich kuschen. Damit hat er vor den andern Männchen die Partie für sich entschieden.

Doch das, was von besonderem Interesse ist, sind die Farben. Es gibt den Blauen Pfau und den Grünen Pfau. Geradezu ernüchternd wirkt die Antwort der Naturwissenschaften. Eigentlich sei der Pfau grau; die Farben erhalte er nur infolge «Interferenz», was so viel heisst wie: Weisses Licht, welches an optisch transparenten Materialien reflektiert wird, erscheint farbig und ergibt ein «visuelles Ornament» (wie Öl auf Wasser oder Seifenblasen). Der seltene Weisse Pfau ist kein Albino, sondern ein Leuzist (griech. leukos = weiss). Er hat eine harmlose Defekt-Mutation, d.h. er hat keine Melanozyten, um Farbe zu produzieren. So ist aus dem Übel eine Tugend geworden, heisst er doch auch «Hochzeitspfau».

Auch die Mythologie weiss sich des Pfaus zu bedienen, vor allem die griechisch-römische. Wenn Zeus (Apollon) bzw. Jupiter die Sonne und der (Doppel-)Adler zugeordnet sind – dieser als Symbol von Licht und Finsternis – wird Hera bzw. Juno (Diana) mit dem Mond in Verbindung gebracht, begleitet von einem Pfau. Der Pfau steht also im Bereich von Licht und Schatten, verkörpert die Buntheit, welche ein Ergebnis von Licht und Schatten ist. So gesehen symbolisiert der Pfau das Ende der Nacht, d.h. das Ende des Todes und der Verwesung. Mit anderen Worten steht er als Frühlingssymbol für die Auferstehung, das ewige Leben, die Unsterblichkeit.

Obwohl der Pfau nur an erwähnter Stelle in der Bibel vorkommt, hat er trotzdem im Christentum eine wichtige Bedeutung. In frühchristlicher Zeit findet man ihn auf Sarkophagen als «Seelenvogel», zum Zeichen der Auferstehung. Ebenso in Baptisterien, wo er aus Amphoren Wasser trinkt, d.h. der Täufling erhält in der Taufe Anteil am «Wasser des Lebens», des ewigen Lebens. Pfauen unter Palme oder Lebensbaum deuten auf Jesus, als den Baum des Lebens hin, der mit der Erde verwurzelt ist, seine Krone aber im Himmel hat. Darstellungen des Pfaus mit Kelch und Weintrauben, wie sie in der orthodoxen Kirche, vor allem griechischer Tradition, bei Illuminationen etwa, ein beliebtes Sujet sind, verweisen auf die Eucharistie und die seligen Freuden im Jenseits. Die Kirche kannte auch liturgische Fächer aus Pfauenfedern (flabella), welche in der byzantinischen Liturgie – in stilisierter Form – noch gebräuchlich sind (rhipidien). Mit ihnen wird die unsichtbare Anwesenheit der Cherubim und Seraphim angedeutet, welche im Cherubikon besungen wird.

So verkörpert der Pfau die geistige Schönheit der Weisheit und mit seinem Krönchen die königliche Würde des Menschen, die Pfauenaugen den Sternen übersäten Himmel, der Federfächer die vielflüglige Engelschar. Der Pfau ist Sinnbild für den gesamten Kosmos in seiner vollen Integrität; seine Schönheit und Würde widerspiegeln die Fülle und Anmut der Schöpfung Gottes.

Maria Brun, Dr. theol.

Literatur

– Forstner D., Die Welt der christlichen Symbole. Tyrolia: 1977,
  230-232

– Spitzing G., Lexikon byzantinisch-christlicher Symbole.
  Diederichs: 1989, 271-272

– Roob A., Alchemie und Mystik. Taschen: 1996

– Internet: diverse