Über die Erzengel

Am 29. September feiert die Kirche das Erzengelfest. Ursprünglich als Fest des Erzengels Michael (im Jahr 493 unter Papst Gelasius I. eingeführt), wurde dieses im 9. Jh. schliesslich auf alle Erzengel ausgeweitet. Geläufig sind die Namen von 4 Erzengeln, die auch der Islam kennt: Michael (Mikail oder Mikal, Sure 2,98), Gabriel (Gibril, Sure 26,193-195), Raphael (Azrael, Sure 32,11), Uriel (Israfil, Sure 39,68).

Michael – „Wer ist wie Gott?“

Der Erzengel Michael ist „der grosse Engelfürst“ (Dan 12,1) und gilt als einer der vornehmsten himmlischen Fürsten. Er ist einer der Thron-engel Gottes (Hen 20,1ff.). Er ist der glorreiche Besieger Luzifers und seines Anhanges und der mutige Verfechter der Sache Gottes. Schon früh wurde er beim christlichen Volk hoch verehrt.

„Er ist der Beschützer der Kirche Gottes und des christlichen Volkes gegen die Gewalten der Hölle“ (Britschgi, 152), aber auch im Fall von Krankheit und allgemeiner Schwäche.

Im Volksglauben erstellt der Erzengel Michael ein Verzeichnis der guten und schlechten Taten im Leben eines jeden Menschen und legt es am Tag des Jüngsten Gerichtes Gott vor. Deshalb wird er mit einer sog. Seelenwaage dargestellt.

Er galt – neben Georg – als Personifizierung des christlichen Ritterideals. (Duden, 184) So wird er stets in Rüstung dargestellt, das Schwert zum Kampf bereit.

Gabriel – „Gotteskraft“

Der Erzengel Gabriel ist einer der höchsten himmlischen Gestalten. Dem Propheten Daniel erschien er mehrmals. So verkündete er ihm den Messias (Dan 7,13-14) und erklärte ihm verschiedene Visionen (Dan 8,16-26; 9,21-27). Ebenso kündigte er Zacharias, dem Mann Elisabeths, die Geburt von Johannes an, dem späteren Täufer (Lk 1,11-20). Er erschien Maria und weissagte ihr die Geburt von Jesus, dem Sohn Gottes und Erlöser (Lk 1,26-38).

Gabriel ist einer jener Engel, die vor Gottes Thron stehen. (Britschgi, 88) In LK 1,19 stellt sich Gabriel selbst vor, als er dem Zacharias erschien, indem er sagt: “ Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, um mit dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu bringen.“

Gabriel ist also der Bote Gottes, der den Menschen Botschaften von Gott überbringt. Er wird mit einer Lilie in der Hand dargestellt.

Raphael – „Gott heilt“

Der Erzengel Raphael wird in der Bibel nur im Buch Tobit erwähnt. Er begleitete Tobias, Sohn des gottesfürchtigen Tobit, auf seiner weiten Reise, befreite Sara, Tobias junge Frau, vom Dämon und heilte den Vater Tobit.

Raphael ist, wie er es selbst sagt, „einer der sieben heiligen Engel, die die Gebete der Frommen emportragen und vor Gottes Herrlichkeit hintreten“ (Tob 12,15). Seine Position als einer der sieben Thronengel bzw. der vier Engelfürsten vertritt auch die frühjüdische Tradition. (vgl. Qumran: 1QM 9,15f.)

Er ist der Helfer in verschiedenen Notlagen. So ist er der Patron der Kranken und Blinden sowie der Apotheker und Ärzte, aber auch der Bergleute und Dachdecker. Im Besonderen ist er der Beschützer der Reisenden; er gilt als der treue Begleiter der Menschen durch ihr Erdenleben.

Wirtshäuser „zum Engel“ empfehlen sich häufig dem Erzengel Raphael, weil hier Reisende einkehren.

Ihm vertrauen sich auch viele Christen an, bevor sie „die grosse Reise in die Ewigkeit“ antreten. (Britschgi, 175)

Raphael wird meistens als Wanderer – oft zusammen mit Tobias – dargestellt. Als Attribute dienen ihm Wanderstab und Tasche, auch Fisch und Kompass.

Uriel – „Gott ist Licht“

Uriel gehört zur Quadriga der Erzengel, ist jedoch nicht sehr bekannt, weil er nicht in der Bibel erwähnt wird. Berichte über ihn stehen im apokryphen Buch Henoch und im 4. Buch Esra.

Im Gegensatz zur römisch-katholischen Liturgie kennen die ostkirchlichen Liturgien die Anrufung Uriels zusammen mit den drei kanonischen Erzengeln. Um einem übertriebenen Engelskult entgegen zu wirken, hatte das Konzil von Rom im Jahr 745 beschlossen, dass nur noch die in der Bibel bezeugten Engel verehrt werden dürfen. Und somit ist der Erzengel Uriel aus dem Gedächtnis des christlichen Westens verschwunden.

Seine Attribute sind das Schwert und die Flamme.

Uriel ist derjenige Erzengel, der beim Jüngsten Gericht „die Tore der Unterwelt öffnet und die Verstorbenen vor den Richterstuhl Gottes führt.“ (Duden, 247)

Die Michaelskapelle in Luzern

In der Hofkirche in Luzern thront hoch über dem Eingangsportal, zwischen den beiden Türmen, die Michaelskapelle, ein Kleinod, von aussen nicht erkennbar und für die Öffentlichkeit nicht frei begehbar. Nach alter Tradition ist die Kapelle, wie übrigens die Kirche auch, geostet, jedoch an der Westseite der Kirche angebracht. Dies hat mit der Aufgabe des Erzengels Michael zu tun: Abwehr des Bösen und Schutz vor dunklen Mächten. Da die Alte Kirche Christus, den auferstandenen Gottessohn und Erlöser, mit der aufgehenden Sonne identifizierte, galt der Antipod, der Westen, aus dem die Dunkelheit der Nacht emporsteigt, als Ort der Unberechenbarkeit, des Unheils. Der Erzengel Michael, in Rüstung und mit Flammenschwert bewaffnet, Hauptfigur in der Mitte des Altars, tritt dem Bösen entgegen, wacht über dem Eingang und ist damit auch der Beschützer der Kirche. Ausserdem hält er in seiner Linken eine Waage, die Seelenwaage.

Der Retabel, ein Werk von Hans Ulrich Räber aus dem Jahr 1648 (vgl. Kaiser, 16), steht dem Besucher markant gegenüber und zieht unwillkürlich dessen Blick auf sich. Bemerkenswert ist, dass der Engelfürst von den beiden andern, biblisch bezeugten Erzengeln flankiert ist:

– Zu seiner Rechten der Erzengel Gabriel, mit einer Lilie, als Zeichen der Reinheit und Unschuld, in seiner rechten; mit der linken Hand gen Himmel zeigend. Dies nimmt Bezug auf die Einkehr bei der Jungfrau Maria, um ihr die Geburt des Gottessohnes Jesus anzukündigen.

– Zu seiner Linken der Erzengel Raphael, mit einem Fisch in der linken Hand und einem Kompass in seiner rechten dargestellt. Der Fisch deutet auf die Heilung von Sara, der Kompass auf den Weggefährten des Tobias.

In dieser Michaelskapelle erfährt man eine Geborgenheit im Schutze der heiligsten drei Erzengel.

Maria Brun, Dr. theol.

Literatur:

– Britschgi Ezechiel P., Name verpflichtet. Das Buch von den christlichen Namen, Stein a.R. 2001.

– Duden Lexikon der Vornamen. Herkunft, Bedeutung und Gebrauch, Mannheim 1998.

– Bibellexikon (hg. v. Haag Herbert), Zürich-Einsiedeln-Köln 1982.

– Kaiser Emmanuel Lothar, St. Leodegar im Hof, Luzern 2003.

– Wikipedia: Erzengel / Michael / Gabriel / Raphael / Uriel